Best Practices: Nachfolge im Familienunternehmen
Die Wirtschaftsleistung von Familienbetrieben ist ein wesentliches Standbein in Europa. Allein etwa 50 Prozent des BIP werden durch die mehr als 14 Millionen Familienunternehmen, die es europaweit gibt, erwirtschaftet. Damit tragen sie maßgeblich zum wirtschaftlichen Erfolg des Standortes bei. Damit diese Wirtschaftskraft in externen Krisenzeiten nicht verloren geht, ist es für diese Unternehmen besonders wichtig, klare und gut etablierte interne Strukturen zu haben.
Die besonderen Herausforderungen von Familienunternehmen
Familienunternehmen verhalten sich in vielerlei Hinsicht anders als anonyme Publikumsgesellschaften. Diese Andersartigkeit liegt vor allem am Einfluss der Eigentümerfamilie auf und dem persönlichen Bezug zu dem Unternehmen. Dieser Familieneinfluss kann sich auf unterschiedliche Weise manifestieren: durch die Ausübung einer operativen Managementposition im Unternehmen, durch Eigentums- und Stimmrechte, durch die Mitarbeit in einem Aufsichtsgremium oder durch bestimmte Werte, die die Familie im Unternehmen verankert.
In der Unternehmensstrategie spielen daher neben den rational-ökonomischen Zielen oftmals auch Faktoren wie die Identifikation mit dem Unternehmen, der langfristige Erhalt des Unternehmens in der Familie, Altruismus, die dynastische Nachfolge und die Möglichkeit der Mitarbeit im eigenen Familienunternehmen auch nach einem Generationenwechsel eine entscheidende Rolle.
Umsetzung der spezifischen Bedürfnisse
Ein Weg, um diese spezifischen Anforderungen umzusetzen, können sog. Familienverfassungen oder Familienkodizes sein. Dabei handelt es sich um Syndikatsverträge zwischen den Familienmitgliedern, in denen z. B. bestimmte Werte, Verhaltensweisen oder auch Regeln bzgl. der Unternehmensnachfolge festgelegt werden. Diese sind dann bei sämtlichen — auch zukünftigen — unternehmerischen Entscheidungen für das Familienunternehmen zu berücksichtigen. Durch die Ausgestaltung in Form eines verbindlichen Vertrags können die festgelegten Familienprinzipien und Ansprüche auch gerichtlich durchgesetzt werden.
Möglichkeiten der strukturellen Ausgestaltung
Die in der Praxis am häufigsten vorkommenden Gesellschaftsformen für Familienunternehmen sind jene der GmbH und der Privatstiftung.
Die Privatstiftung
Privatstiftungen werden meist in den Bereichen des Wealth-Managements gewählt, da sie den Vorteil der Vermögenskonzentration auch über Generationen hinweg bieten. Speziell in Bezug auf die Vererbung des Familienvermögens ergeben sich hier Vorteile gegenüber einer GmbH. So bedarf es z. B. im Falle mehrerer Erb:innen keiner Teilung etwaiger Gesellschaftsanteile, sondern die vermögensrechtliche Situation kann über die Ausgestaltung der Begünstigtenstellung gesichert werden, während das Familienvermögen weitgehend haftungsgeschützt in der Stiftung selbst verbleibt.
Für das operative Tagesgeschäft eignet sich die Rechtsform der Privatstiftung aufgrund der gesetzlichen Einschränkungen gem. § 1 Privatstiftungsgesetz (PSG) auf rein vermögensverwaltende Tätigkeiten jedoch nicht. Auch ist eine Privatstiftung oftmals wesentlich kostenintensiver als eine GmbH.
So beläuft sich bereits das mindestens einzusetzende Gründungskapital einer Privatstiftung auf 70.000 Euro, bei der GmbH sind es nur 10.000 Euro. Aufgrund des Verbots der personellen Identität von Stiftungsvorstand und Begünstigten einer Privatstiftung (vgl. § 15 PSG) ergibt sich hier jedoch die Chance, externes Know-how über eine Berufung zum Stiftungsvorstand langfristig an das Familienunternehmen zu binden. Im Streitfall kann die Verwaltung durch familienexterne Dritte zur Konfliktentschärfung beitragen.
Aufgrund der typischen Vermögensseparation hat eine Privatstiftung den weiteren Vorteil, dass im Fall der (Privat-) Insolvenz eines Familienmitglieds bzw. Begünstigten grundsätzlich „nur“ Exekution auf etwaige Begünstigtenansprüche geführt werden kann, nicht jedoch auf die dahinter stehenden Gesellschaftsbeteiligungen.
Auch in Sachen Diskretion kann sich eine Privatstiftung als geeignete Gesellschaftsform erweisen, da sie gemäß § 18 TOP | Nachfolgeplanung in Familienunternehmen PSG i. V. m. § 244 UGB zwar rechnungslegungspflichtig ist, den Konzern- bzw. Jahresabschluss jedoch nicht offenlegen muss.
Die GmbH
Eine GmbH bietet aufgrund ihrer Struktur mehr Flexibilität als eine Privatstiftung. Durch die starke Gesellschafterstellung und die Möglichkeiten im Rahmen der Weisungsrechte ist eine Vielzahl möglicher Ausgestaltungen denkbar. Weiters muss aufgrund der Zulässigkeit von personeller Identität von Gesellschafter:innen und Geschäftsführung nicht zwingend eine Fremdgeschäftsführung in das Unternehmen integriert werden. Die GmbH ist außerdem sowohl für operative als auch für vermögensverwaltende Tätigkeiten geeignet und unterliegt hier im Grunde keinen rechtlichen Beschränkungen.
Auf der anderen Seite sind Jahres- und Konzernabschluss durch die Veröffentlichung im Firmenbuch auch für Externe transparent einsehbar. Auch besteht bei (Privat-)Insolvenz eines:einer Gesellschafter:in die Gefahr, dass Gesellschaftsanteile einer gerichtlichen Exekution unterliegen.
Sowohl die Privatstiftung als auch die GmbH haben somit Vor- wie auch Nachteile. In der Praxis wird daher oftmals eine Struktur mit einer Privatstiftung als vermögensverwaltender Konzernspitze und darunter operativ tätigen Tochtergesellschaften in der Rechtsform einer GmbH gewählt.
Wettbewerbsvorteil durch frühzeitige Nachfolgeplanung
Im Rahmen der Unternehmensnachfolge ist die nächste Generation oftmals ein wesentlicher Treiber von Veränderung und Innovation in Familienunternehmen. Das kann, vor allem in Krisenzeiten, das Überleben eines solchen Unternehmens langfristig sichern. Da es von der Entscheidung, den Nachfolgeprozess anzustoßen, bis zur tatsächlichen Übergabe oft Monate, ggf. sogar Jahre braucht, bis alle Beteiligten mit ihren jeweiligen Erwartungen und Bedürfnissen abgeholt und eingebunden sind und die richtige Rolle finden, ist der Zeithorizont einer Übergabe an die nächste Generation nicht zu unterschätzen. Je früher der Übergabeprozess eingeleitet und die Kommunikation aufgenommen wird, desto eher können geeignete Weichenstellungen erfolgen und ein Ausgleich zwischen den verschiedenen Interessenlagen gefunden werden, was sich dann auch in Vertragsform gießen lässt und so Sicherheit und Verbindlichkeit gewährleistet.
Fazit: Nachfolgeplanung im Familienunternehmen
Familienunternehmen sind aufgrund ihrer einzigartigen Zusammensetzung und den Bedürfnissen ihrer Stakeholder oftmals angehalten, nicht nur ihre wirtschaftliche Kraft zu bewahren und auszubauen, sondern auch die Familienwerte und -traditionen der dahinter stehenden Unternehmerfamilien in die Zukunft zu tragen. Eine frühzeitige und durchdachte Planung der Nachfolgestruktur kann hier der Schlüssel zum langfristigen Erfolg und zur Sicherung des Familienvermächtnisses sein und bietet nebenbei oftmals auch noch erhebliche Wettbewerbsvorteile.
Dieser Artikel zur Familiennachfolge ist im aktuellen EY Tax & Law Magazine erschienen.
Dr. Katrin Speigner, LL.M.
Partnerin, Rechtsanwältin in Salzburg