Was gilt es rechtlich zu beachten, wenn das Homeoffice im Ausland liegt?
In der Vergangenheit wurde die Arbeitsleistung üblicherweise vor Ort im Unternehmen erbracht. Damit bestand, sofern es keinen Bezug zum Ausland gab, keine Notwendigkeit, im Arbeitsvertrag eine Rechtswahl zu treffen. Durch die vermehrte Homeoffice-Tätigkeit stellt sich allerdings die Frage nach möglichen Folgen einer fehlenden Rechtswahl, wenn das Homeoffice im Ausland liegt. Unsere Expertin für Arbeitsrecht, Christina Schrott von EY Law in Salzburg klärt, was es rechtlich zu beachten gibt, wenn das Homeoffice im Ausland liegt.
Die Frage nach dem anwendbaren Recht bei grenzüberschreitenden Sachverhalten
Das auf das Arbeitsverhältnis anwendbare Recht bestimmt sich grundsätzlich nach dem Recht jenes Staates, in dem die Beschäftigten ihre Arbeitsleistung gewöhnlich erbringen. Für das anwendbare Recht ist der tatsächliche Arbeitsort der Beschäftigten maßgeblich. Die Problemstellung soll anhand des folgenden Beispiels veranschaulicht werden: Ein Unternehmen mit Sitz in Österreich beschäftigt Personen mit Wohnsitz im Ausland. Unter Berücksichtigung von Homeoffice ergeben sich somit zwei Konstellation: Werden die Beschäftigten am Sitz des Unternehmens in Österreich tätig, gilt für den Arbeitsvertrag österreichisches Recht. Wird die Erbringung der Arbeitsleistung allerdings ins Homeoffice verlagert, ändert dies auch die Örtlichkeit der Arbeitserbringung; sie verlagert sich im skizzierten Fall an den im Ausland gelegenen Wohnort der jeweils betroffenen Mitarbeitenden.
Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten ist die Rom-I-VO (EG) 593/2008 maßgeblich. Wird keine Rechtswahl getroffen, kommt es nach Art. 8 Abs. 2 Rom-I-VO auf den „gewöhnlichen Arbeitsort“ an. Unter „gewöhnlicher Arbeitsort“ i. S. d. Art. 8 Abs. 2 Rom-I-VO ist bei unionsrechtlicher autonomer Auslegung dieses Begriffs jener Ort zu verstehen, an dem die Beschäftigten physisch ihre Arbeitsleistung erbringen. Bei Homeoffice-Tätigkeit wird die Arbeitsleistung von den Beschäftigten physisch am Wohnort erbracht, wodurch sich der gewöhnliche Arbeitsort in den ausländischen Wohnort verlagert.
Eine nur vorübergehende oder zeitweise Tätigkeit am ausländischen Wohnort ändert in der Regel nichts am gewöhnlichen Arbeitsort und damit am anwendbaren Recht. Bei ausschließlicher Tätigkeit im Homeoffice wäre aber der gewöhnliche Arbeitsort mit dem ausländischen Wohnort gleichzusetzen, was dazu führt, dass das österreichische Recht durch das Recht des (ausländischen) Wohnsitzstaates verdrängt wird.
GewöhnlicherArbeitsort in Österreich oder im Ausland?
Bei alternierender Tätigkeit kommt es darauf an, wo der größte Teil der Arbeitsleistung erbracht wird. Erfolgt eine Leistungserbringung in mehreren Staaten, ist gewöhnlicher Arbeitsort jener Ort, den der:die Arbeitnehmer:in tatsächlich als Mittelpunkt seiner:ihrer Berufstätigkeit gewählt hat, d. h. an dem oder von dem aus er:sie den wesentlichen Teil seiner:ihrer Verpflichtungen gegenüber dem Arbeitgeber tatsächlich erfüllt (vgl. EuGH C-125/92, Mulox, Slg 1993, I-4105; C-383/95, Rutten, Slg 1997, I-77). Dabei ist grundsätzlich die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses für die Bestimmung des Ortes, an dem der:die Betroffene im Sinne der genannten Vorschrift gewöhnlich seine:ihre Arbeit verrichtet hat, zu berücksichtigen. Mangels anderer Kriterien ist das der Ort, an dem der:die Arbeitnehmer:in den größten Teil seiner:ihrer Arbeitszeit geleistet hat (vgl. EuGH v. 27.02.2002, Rs. C-37/00; Weber, Slg 2002 I-2013, Rn. 58; OGH, 8 ObA 33/08y u. a.).
Eine grobe Faustformel, die auch in die Rechtsprechung Eingang gefunden hat, lautet in diesem Zusammenhang, dass ein gewöhnlicher Arbeitsort dort begründet wird, wo die beschäftigte Person zumindest 60 Prozent ihrer Arbeitszeit verbringt.
Wenn also der Ort der Arbeitserbringung maßgebliches Kriterium für die Beurteilung des anwendbaren Rechts ist und Mitarbeitende mindestens 60 Prozent ihrer Arbeitszeit im Homeoffice am ausländischen Wohnort verbringen, tritt ein Wechsel in der Rechtsordnung ein. Für das Arbeitsverhältnis gelten dann die ausländischen Rechtsnormen.
Davon sind jene Fälle zu unterscheiden, in denen die Beschäftigten nur vorübergehend ihre Arbeitsleistung im Homeoffice erbringen, zum Beispiel während der Corona-Pandemie. In dieser Zeit haben Beschäftigte zwar vorübergehend ihre Arbeitsleistung von zu Hause erbracht, aber es stand von vornherein fest, dass sie wieder dauerhaft an ihren Arbeitsplatz im Unternehmen zurückkehren werden. Diese nur vorübergehende Leistungserbringung im Ausland führt zu keiner Änderung des anwendbaren Rechts.
Der gewöhnliche Arbeitsort hat aber nicht nur im Zusammenhang mit der Beurteilung des auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Rechts Relevanz.
Christina Schrott, EY Law Juristin
Die Frage nach der Gerichtszuständigkeit bei grenzüberschreitenden Sachverhalten
Der gewöhnliche Arbeitsort hat aber nicht nur im Zusammenhang mit der Beurteilung des auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Rechts Relevanz. Vielmehr kann sich bei Verlagerung des Arbeitsortes ins Ausland auch die Gerichtszuständigkeit im Falle von Rechtstreitigkeiten zwischen den Arbeitsvertragsparteien ändern.
Gemäß Art. 21 Abs. 1 lit. b (i) EuGVVO (Verordnung [EU] Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen) kann ein Arbeitgeber, der seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates hat, vor dem Gericht des Ortes, an dem der:die Arbeitnehmer:in gewöhnlich seine:ihre Arbeit verrichtet oder zuletzt gewöhnlich verrichtet hat, verklagt werden. Art. 21 EuGVVO eröffnet somit einen besonderen Vertragsgerichtsstand. Diese besondere Zuständigkeitsregel hat die Zielsetzung, Beschäftigten als sozial schwächerer Partei einen angemessenen Schutz zu gewährleisten. Ein solcher Schutz ist besser gewährleistet, wenn für Streitigkeiten im Zusammenhang mit einem Arbeitsvertrag das Gericht des Ortes zuständig ist, an dem die jeweiligen Mitarbeitenden ihre Verpflichtungen gegenüber ihrem Arbeitgeber erfüllen, da sie sich an diesem Ort mit dem geringsten Kostenaufwand an die Gerichte wenden oder sich als Beklagte zur Wehr setzen können.
Damit können Arbeitnehmende, deren ausländischer Wohnort als gewöhnlicher Arbeitsort im Sinne der obigen Ausführungen zu bejahen ist, ihren Arbeitgeber unter Berufung auf die internationale Zuständigkeit gemäß Art. 21 Abs. 1 lit. b) (i) EuGVVO an dem für ihren Wohnsitz sachlich und örtlich zuständigen (ausländischen) Gericht verklagen.
Resümee zum Homeoffice im Ausland
Wird die Tätigkeit überwiegend oder ausschließlich am ausländischen Wohnort erbracht, kann dies zu einer Ablösung der österreichischen Rechtsvorschriften durch die nationalen Rechtsvorschriften des ausländischen „Homeoffice Staates“ führen. Zudem kann sich für die Beschäftigten aufgrund der Verlagerung des gewöhnlichen Arbeitsortes in den „Homeoffice-Staat“ die Möglichkeit eröffnen, ihre Arbeitgeber am Ort der gewöhnlichen Arbeitsverrichtung zu verklagen. Arbeitgeber können sich damit unter Umständen auch mit Auseinandersetzungen vor ausländischen Gerichten konfrontiert sehen.
Dieser Artikel zum Thema Homeoffice im Ausland ist im aktuellen EY Tax & Law Magazine 2/2023 erschienen, welches Sie hier als PDF lesen können:
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Mag. Christina Schrott
Juristin bei EY Law in Salzburg | Arbeitsrecht
christina.schrott@eylaw.at
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