Alles zur neuen Kapitalgesellschaft in Österreich: FlexCo vs GmbH
Der jüngst veröffentlichte Ministerialentwurf des Gesellschaftsrechts- Änderungsgesetzes 2023, mit dem insbesondere ein Bundesgesetz über die Flexible Kapitalgesellschaft oder Flexible Company (FlexKapGG) erlassen werden soll, sieht die Schaffung einer neuen Kapitalgesellschaft, der Flexiblen Kapitalgesellschaft oder Flexible Company (FlexKapG bzw. FlexCo), vor. Was Sind die Besonderheiten der neuen Kapitalgesellschaft in Österreich: FlexCo vs GmbH.
Die FlexCo soll insbesondere (aber nicht nur) für Gründer: innen und Start-ups eine international wettbewerbsfähige Kapitalgesellschaftsform bieten. Der Ministerialentwurf enthält zwar viele sinnvolle Gestaltungsmöglichkeiten, die Akzeptanz der neuen Gesellschaftsform wird sich jedoch erst in der Praxis zeigen. Nachfolgend geben wir einen groben Überblick über die wesentlichen Besonderheiten der FlexCo und nehmen eine Zusammenschau mit den entsprechenden Regeln der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) vor.
Besonderheiten der FlexCo
Die FlexCo soll für innovative Start-ups und Gründer:innen in der Frühphase besonders attraktiv sein und deren Bedürfnisse erfüllen. Die neue Kapitalgesellschaftsform baut auf dem Recht der GmbH unter Einbeziehung von flexiblen Gestaltungsmöglichkeiten aus dem Recht der Aktiengesellschaft (AG) auf.
Verschiedene Beteiligungsformen der neuen Kapitalgesellschaft
Ein Kernanliegen der FlexCo ist es, Beteiligungen einfacher zu ermöglichen. Daher soll es bei der FlexCo bei entsprechender Regelung im Gesellschaftsvertrag verschiedene Gattungen von Anteilen geben. Neben dem klassischen — aus dem GmbHRecht bekannten — Geschäftsanteil soll es auch den Unternehmenswert- Anteil geben. Diese neue Beteiligungsform soll zwar eine wirtschaftliche Teilhabe an der FlexCo ermöglichen, jedoch die Teilhabe an der Willensbildung nur stark eingeschränkt zulassen. Dadurch soll insbesondere die Beteiligung von Mitarbeitenden an der Gesellschaft leichter möglich sein. Generell sollen Unternehmenswert-Anteile im Vergleich zu Geschäftsanteilen flexibler sein. So soll die Mindeststammeinlage von Unternehmenswert-Anteilen nur 1 Cent betragen und bei Übernahmen und Übertragungen dieser Anteile die Schriftform ausreichen. Zu beachten ist jedoch, dass im Ministerialentwurf vorgesehen ist, dass Unternehmenswert-Anteile nur im Ausmaß von unter 25 Prozent des Stammkapitals ausgegeben werden dürfen, wodurch größere Investoren als Unternehmenswert- Beteiligte ausscheiden werden.
Die wirtschaftliche Teilhabe am Bilanzgewinn und am Liquidationserlös soll das wesentliche Element von Unternehmenswert- Anteilen sein. Unternehmenswert-Beteiligte sollen daher im Verhältnis ihrer eingezahlten Stammeinlage grundsätzlich zwingend am Bilanz- und am Veräußerungsgewinn (oder Liquidationserlös) teilhaben. Von diesem Grundsatz soll nur dann, z. B. in Form einer (Liquidations-)Präferenz für Finanzinvestoren, abgewichen werden können, wenn in gesellschaftsvertraglichen Regelungen eine Gleichbehandlung von Unternehmenswert- Beteiligten und Gründungsgesellschafter:innen sichergestellt ist.
Unternehmenswert-Anteile sollen (weitgehend) stimmrechtslosen Beteiligungen gleichkommen. Unternehmenswert- Beteiligten sollen zwar die (eingeschränkten!) gesetzlichen Informations- und Einsichtsrechte zukommen, sie sollen aber nicht an der Willensbildung der Gesellschaft teilnehmen dürfen. Ihnen soll daher weder ein Stimmrecht bei Gesellschafterbeschlüssen noch eine Anfechtungsbefugnis zur Bekämpfung der gefassten Beschlüsse zustehen, ebenso wenig wie das von der Judikatur entwickelte umfassende Informationsrecht jedes:jeder GmbH-Gesellschafter:in. Ausgenommen sind lediglich Beschlüsse, die unmittelbar einen Eingriff in die gesellschaftsvertragliche Stellung der Unternehmenswert-Beteiligten darstellen. Außerdem haben Unternehmenswert-Beteiligte — sofern dies nicht im Gesellschaftsvertrag vorgesehen ist — bei einer Kapitalerhöhung kein Bezugsrecht und sind daher nicht vor der Verwässerung ihres Anteils geschützt.
Da Unternehmenswert-Beteiligte von der Mitwirkung an der Willensbildung in der Gesellschaft weitestgehend ausgeschlossen sein sollen, soll für sie auch das wirtschaftliche Risiko möglichst gering sein. Zwar ist im Entwurf vorgesehen, dass auf Unternehmenswert-Anteile die Stammeinlage sofort in voller Höhe einzuzahlen ist, doch sollen Unternehmenswert- Beteiligte im Gegenzug nicht für eine spätere Inanspruchnahme in Betracht kommen und es soll sie weder eine Ausfallshaftung noch eine Nachschusspflicht treffen.
Finanzverfassung der FlexCo
Im Bereich der Finanzverfassung soll die FlexCo einige Gestaltungsmöglichkeiten bieten, die aus dem Recht der AG bekannt sind. So sollen flexible Kapitalmaßnahmen wie bedingte Kapitalerhöhungen, genehmigtes Kapital und sonstige (Hybrid-) Finanzierungsformen möglich sein bzw. vereinfacht werden. Zudem soll die FlexCo innerhalb bestimmter, gesetzlich vorgesehener Schranken eigene Anteile erwerben oder als Pfand nehmen können. Im Unterschied zur AG soll es bei dem Beschluss über den Erwerb der eigenen Anteile aber zu einem Stimmrechtsausschluss der Gesellschafter:innen kommen, von denen die Anteile rückerworben werden. Darüber hinaus soll auch die Einziehung von Geschäftsanteilen bei der FlexCo möglich sein. Geschäftsanteile sollen sowohl nach dem Erwerb durch die Gesellschaft als auch unabhängig davon eingezogen werden können, sodass bei der FlexCo Austritts- und Ausschlussrechte ohne Anteilsübertragungen unter den Gesellschafter: innen mit entsprechender Bestimmung im Gesellschaftsvertrag ausgeübt werden können.
FlexCo vs. GmbH
In der Folge vergleichen wir einige der Kernelemente der FlexCo mit den entsprechenden Regeln der GmbH.
Mehr Flexibilität für Gesellschafter:innen
- Stammkapital und Stammeinlage
Das Mindeststammkapital als Mindestvermögen der FlexCo soll — wie künftig auch jenes der GmbH — 10.000 Euro betragen, wovon mindestens 5.000 Euro bar einzuzahlen sind. Im Vergleich zur GmbH, bei der die Stammeinlage jedes:jeder Gesellschafter:in mindestens 70 Euro zu betragen hat, sollen die auf die einzelnen (regulären) Gesellschafter:innen jeweils entfallenden Mindeststammeinlagen bei der FlexCo mit einem Betrag von 1 Euro deutlich geringer sein und so auch Beteiligungen in geringem Ausmaß ermöglichen. Wie auch bei der GmbH soll mindestens ein Viertel jeder bar zu leistenden Stammeinlage eingezahlt werden, jedoch jedenfalls ein Betrag von 1 Euro. - Uneinheitliche Stimmabgabe
Den Gesellschafter:innen der FlexCo soll es zukünftig auch ausdrücklich möglich sein, ihr Stimmrecht uneinheitlich auszuüben. Eine uneinheitliche Stimmabgabe eines:einer Gesellschafter: in für einen Geschäftsanteil wurde bei der GmbH bislang als in der Regel unzulässig angesehen. Die Zulässigkeit der uneinheitlichen (gespaltenen) Stimmabgabe ist in der Praxis bei Unterbeteiligungen, insbesondere bei treuhändigen Beteiligungen, von Bedeutung. Zu beachten ist, dass die treuhändige Beteiligung an der FlexCo — unabhängig von der tatsächlichen Stimmausübung — eine Meldepflicht im Register der wirtschaftlichen Eigentümer auslösen kann. - Einverständnis zur schriftlichen Abstimmung (Umlaufbeschluss)
Im Gegensatz zur GmbH, bei der eine Abstimmung im schriftlichen Weg stets nur mit der Zustimmung aller Gesellschafter: innen zulässig ist, soll diese bei entsprechender Regelung im Gesellschaftsvertrag nicht erforderlich sein. Dadurch soll die schriftliche Beschlussfassung effizienter und einfacher erfolgen können. Entscheidend soll alleinig sein, dass allen Gesellschafter:innen die Möglichkeit zur Teilnahme an der schriftlichen Abstimmung gewährt wurde, sodass bei der FlexCo besonderes Augenmerk auf den Nachweis der tatsächlichen Zustellung des Beschlusses zu legen sein wird. Da die Mehrheit aber von der Gesamtzahl aller Gesellschafter:innen festzustellen sein soll, wird in der Praxis die Teilnahme von zumindest mehr als der Hälfte der Gesellschafter:innen an der schriftlichen Abstimmung erforderlich sein.
Weniger Formalität
- Textformerfordernis bei schriftlicher Abstimmung
Bei der FlexCo sollen die Formerfordernisse für Umlaufbeschlüsse reduziert werden und die Textform (i. S. d. § 13 Abs. 2 AktG) bei entsprechender Regelung im Gesellschaftsvertrag ausreichen. Nach § 13 Abs. 2 AktG muss für Abstimmungen in Textform die Erklärung in einer Urkunde oder auf eine andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeignete Weise abgegeben, die Person des:der Erklärenden genannt und der Abschluss der Erklärung durch Nachbildung der Namensunterschrift oder anders erkennbar gemacht werden. Schriftliche Beschlüsse sollen daher in Form von E-Mails gefasst werden können.
Die Textform kann jedoch insbesondere in solchen Fällen nicht genügen, in denen der Beschluss dem Firmenbuch vorzulegen ist. Aufgrund der subsidiären Anwendbarkeit des GmbHG sind die darin festgelegten Formerfordernisse — sofern nicht ausdrücklich anders geregelt — auch bei der FlexCo anwendbar. So wird bei der FlexCo beispielsweise die Bestellung eines:einer Geschäftsführer:in in beglaubigter Form vorzunehmen sein. - Vereinfachte Übertragung
Im Gegensatz zur GmbH soll bei der FlexCo (i) die Übertragung von Geschäftsanteilen, (ii) die Übernahme von Anteilen bei einer Kapitalerhöhung oder bei genehmigtem Kapital und (iii) die Ausübung eines Bezugsrechts in Form einer von Notar:innen oder Rechtsanwält:innen errichteten (Privat-) Urkunde erfolgen können. Die Errichtung eines Notariatsaktes soll in diesen Fällen nicht erforderlich sein, sodass die zusätzliche Einbeziehung von Notar:innen bei anwaltlicher Vertretung nicht mehr erforderlich sein wird.
Bestellung eines Aufsichtsrats
Die Pflicht zur Bestellung eines Aufsichtsrats soll bei der FlexCo über jene bei der GmbH hinausgehen und auch dann bestehen, wenn die Gesellschaft zumindest eine mittelgroße Kapitalgesellschaft im Sinne des § 221 Abs. 2 und 4 UGB ist. Dies ist grundsätzlich der Fall, wenn an zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren zwei der drei folgenden Merkmale überschritten werden, nämlich (i) 5 Millionen Bilanzsumme, (ii) 10 Millionen Euro Umsatzerlöse und/oder (iii) 50 Beschäftigte im Jahresdurchschnitt.
Umwandlungen einer GmbH in eine FlexCo
Sowohl die Umwandlung einer GmbH in eine FlexCo als auch jene einer FlexCo in eine GmbH soll entsprechend dem Ministerialentwurf unkompliziert möglich sein und lediglich einen Beschluss der Generalversammlung mit Dreiviertelmehrheit sowie die Anmeldung beim Firmenbuch erfordern. Darüber hinaus können besondere Zustimmungserfordernisse bestehen.
Änderungen im GmbH-Recht
Zudem sieht der Ministerialentwurf Änderungen im GmbHG vor. So soll das Stammkapital der GmbH von 35.000 Euro auf 10.000 Euro herabgesetzt werden. Das bedeutet, dass künftig bei jeder Gesellschaftsgründung statt 17.500 Euro nur noch 5.000 Euro geleistet werden müssen. Damit einhergehend soll die Möglichkeit der Gründungsprivilegierung abgeschafft werden. Nach dem 31.10.2024 soll es zudem für gründungsprivilegierte GmbHs nicht mehr möglich sein, Änderungen oder Neufassungen ihres Gesellschaftsvertrags zum Firmenbuch anzumelden, ohne gleichzeitig die Gründungsprivilegierung zu beenden. Dabei kann es auch zu einer Herabsetzung des Stammkapitals kommen, die jedoch zumeist keinen Gläubigeraufruf zur Folge haben wird.
Umgekehrt werden nach Inkrafttreten des neuen Mindeststammkapitals auch nicht gründungsprivilegierte GmbHs ihr Stammkapital — unter Einhaltung der Regelungen über die ordentliche Kapitalherabsetzung samt Vornahme eines Gläubigeraufrufs — auf 10.000 Euro herabsetzen können.
AUSBLICK
Die Begutachtungsfrist des Ministerialentwurfs endete am 07.07.2023. Sollte der Ministerialentwurf wie dargestellt erlassen werden, ist ein Inkrafttreten des FlexKapGG und der damit einhergehenden Änderungen mit 1. November 2023 vorgesehen.
Dieser Artikel zur FlexCo, der neuen Gesellschaftsform in Österreich, ist im aktuellen EY Tax & Law Magazine 3/2023 erschienen, welches Sie hier als PDF lesen können:
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Katharina Dabernig, LL.M.
Rechtsanwältin bei EY Law | M&A
katharina.dabernig@eylaw.at