Stromausfall: Arbeitsrecht in Österreich
Was Arbeitgeber und Beschäftigte wissen sollten, wenn plötzlich das Licht ausgeht: Ein flächendeckender Stromausfall in Österreich („Blackout“) ist laut Expert:innen der Energiewirtschaft nur mehr eine Frage der Zeit. Die Folgen eines Blackouts sind massiv. Das stellt nicht nur private Haushalte, sondern auch das Wirtschafts- und Arbeitsleben vor große Hürden.
Die Arbeitswelt wird sich jedoch zunächst fragen: Besteht während eines Blackouts eine Arbeits- bzw. Entgeltfortzahlungspflicht? Unsere EY Law Arbeitsrechtsteam mit Isabella Göschl und Kolleg:innen informieren Sie nachfolgend, was Arbeitgeber und Beschäftigte wissen sollten, wenn es zu einem Blackout in Österreich kommt.
Merkmale und Auswirkungen eines Blackouts in Österreich
Unter einem Blackout versteht man einen ungeplanten, länger andauernden, überregionalen Totalausfall der Stromversorgung. Die Folge sind gravierende Einschränkungen der gesamten Infrastruktur. Straßenbeleuchtung, Wasserversorgung, Kühlanlagen, Aufzugsanlagen, Geldautomaten, Sicherheitsanlangen, Heizungsanlagen, Ampelanlagen und vieles mehr sind von einem Blackout betroffen. Ohne Notstromaggregate (womit kritische Infrastruktur aufrechterhalten wird) würde die Elektrizitätsversorgung bei einem Blackout abrupt enden.
Am Arbeitsplatz führt ein Blackout für die meisten Beschäftigten dazu, dass ihre Tätigkeit (z. B. mangels Zugriffs auf Computer- bzw. Kommunikationssysteme, Steuerungs- oder Produktionsanlagen) nicht mehr (vertragsgemäß) erbracht werden kann.
Blackout: Pflicht zur Arbeitsleistung?
Arbeitsverhältnisse haben die Erbringung einer Arbeitsleistung gegen Entgelt zum Inhalt. Wenn nun die Arbeitsleistung aufgrund von äußeren Umständen unterbleibt, stellt sich insbesondere die Frage, ob Arbeitnehmer:innen weiterhin Anspruch auf Entgelt („Entgeltfortzahlung“) haben.
Wesentlich für die Entgeltfortzahlung ist die Leistungsbereitschaft der Beschäftigten. Unabhängig davon, ob Strom fließt, sind Arbeitnehmer:innen verpflichtet, sich während der Arbeitszeit für den Arbeitgeber zur Erbringung der Arbeitsleistung bereitzuhalten und nach Wegfall des Verhinderungsgrundes (z. B. Wiederanlaufen der Stromversorgung) die Arbeit unverzüglich wieder aufzunehmen. Ist ein:e Arbeitnehmer:in gar nicht zur Leistungserbringung bereit, besteht von vornherein kein Entgeltfortzahlungsanspruch.
Ein Blackout ist für Arbeitnehmer:innen daher kein „Freibrief“ auf Unterlassung der Arbeitsleistung. Insbesondere dort, wo Arbeitgeber über Notstromaggregate verfügen (z. B. in Krankenhäusern), sind die Beschäftigten auch bei einem Blackout verpflichtet zu arbeiten. Voraussetzung dafür ist, dass der Arbeitsplatz während des Stromausfalls auch erreicht werden kann. Dann müssen Beschäftigte den Arbeitsweg mit zumutbaren Alternativen zurücklegen.
Blackout in der Arbeitszeit
Tritt während der Arbeitszeit ein Blackout ein, können Berufstätige dadurch an der Erbringung der Arbeitsleistung gehindert sein. Dabei ist vom Arbeitgeber zu beurteilen, ob eine Leistungserbringung ohne Strom (etwa durch andere Tätigkeiten) möglich ist. Dies wird üblicherweise zu verneinen sein, da Unternehmen aufgrund der Digitalisierung weitgehend auf elektronische Systeme angewiesen sind. Unter Umständen können in den ersten Stunden des Blackouts noch analoge oder organisatorische Aufgaben übernommen werden.
In derartigen Ausnahmesituationen ist es zulässig, Beschäftigten über die arbeitsvertragliche Tätigkeit hinaus weitere Tätigkeiten aufzutragen. Zu denken ist etwa an die Bereithaltung in Büros, Geschäfts- oder Lagerräumen, weil elektrische Schließanlagen ausfallen und Flächen des Arbeitgebers frei zugänglich werden.
Blackout in der Freizeit
Kommt es außerhalb der Arbeitszeit (in der Freizeit) zu einem Blackout, stellt sich die Frage, inwieweit Arbeitnehmer:innen verpflichtet sind, am Arbeitsort zu erscheinen. Dies hängt insbesondere davon ab, ob der Arbeitsort zu erreichen ist. Sind Beschäftigte auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen, die aufgrund des Blackouts ausfallen, liegt trotz Leistungsbereitschaft ein Hinderungsgrund vor. Wie ausgeführt, sind Arbeitnehmer:innen verpflichtet, den Arbeitsweg mit zumutbaren Alternativen zurückzulegen, wenn das übliche Transportmittel ausfällt.
Arbeitsausfall – Entgeltfortzahlung?
Ein Blackout kann sowohl Arbeitnehmer:innen an der Erbringung der Arbeitsleistung hindern als auch Arbeitgeber an der Entgegennahme der angebotenen Arbeitsleistung. Ein Entgeltfortzahlungsanspruch besteht trotz Unterbleibens der Arbeitsleistung nur dann, wenn Arbeitnehmer:innen zur Arbeitsleistung bereit sind (§ 1155 ABGB).
Grundsätzlich gilt: Kommt die Arbeitsleistung aus Gründen in der Sphäre der Arbeitnehmer:innen nicht zustande, gebührt ihnen keine Entgeltfortzahlung. Der Gesetzgeber sieht allerdings Ausnahmen vor (z. B. Krankheit). Kommt die Arbeitsleistung aus Gründen in der Sphäre des Arbeitgebers nicht zustande, gebührt den Beschäftigten ein Entgeltfortzahlungsanspruch.
Für die Beurteilung des Entgeltfortzahlungsanspruchs ist daher maßgeblich, in wessen Sphäre der Ausfall der Arbeitsleistung fällt. Prima facie könnte man meinen: weder das eine noch das andere. Faktisch wird an einem Blackout weder den Arbeitgeber noch den:die Arbeitnehmer:in „die Schuld“ (im Sinne einer kausalen Verursachung) treffen. Im Regelfall ist ein Blackout daher „höhere Gewalt“ und damit der „neutralen Sphäre“ zuzuordnen. Dienstverhinderungsgründe der neutralen Sphäre entbinden Arbeitgeber grundsätzlich von der Entgeltfortzahlungspflicht.
Bei näherer Betrachtung ist die Frage diffiziler. In der Judikatur wurde bei sogenannten Kabelbruchfällen die Ansicht vertreten, dass dadurch verursachte Stromausfälle in die Sphäre des Arbeitgebers fallen. Hier wurde ein Entgeltfortzahlungsanspruch bejaht, weil der Arbeitgeber einen Vertrag mit dem Energieversorger habe, weshalb daraus resultierende Nachteile auch dem Arbeitgeber zuzurechnen seien.
Fraglich ist, ob die Judikatur zu einzelnen Stromausfällen auf Blackouts übertragbar ist. In der Fachliteratur wird die Auffassung vertreten, Arbeitgeber treffe dann keine Entgeltfortzahlungspflicht, wenn das Ausmaß der höheren Gewalt nicht nur einzelne Arbeitgeber, sondern eine Vielzahl betrifft. Die Beeinträchtigungen durch den Stromausfall müssen daher so umfassend sein, dass die Allgemeinheit betroffen ist. In derartigen Fällen ist vom gänzlichen Entfall des Entgeltanspruchs auszugehen.
Die Entgeltfortzahlungspflicht ist daher jeweils anhand der konkreten Folgen des Blackouts zu beurteilen. Betrifft ein Stromausfall nur Straßenzüge oder Ortsteile, trifft den Arbeitgeber eher eine Entgeltfortzahlungspflicht, als wenn ganze Städte, Bundesländer oder das gesamte Bundesgebiet betroffen sind.
Homeoffice: Arbeit an anderen Orten
Beeinträchtigt ein Blackout nur die Region des Arbeitgebers, kann die Möglichkeit bestehen, die Arbeitsleistung auf andere Weise (z. B. in einer anderen Betriebsstätte oder im Homeoffice) anzuordnen. Voraussetzung ist, dass die Tätigkeit in einer anderen Betriebsstätte oder im Homeoffice erbracht werden kann und der:die Arbeitnehmer:in über die erforderliche Ausstattung verfügt.
Anordnung von Urlaubsverbrauch oder Zeitausgleich im Blackout
Für Arbeitgeber ist es in Zeiten von (vorübergehendem) Arbeitsausfall oftmals wünschenswert, wenn Beschäftigte ihre Urlaubsansprüche bzw. Zeitguthaben abbauen. Beides kann jedoch nicht rechtsverbindlich angeordnet werden. Den Beschäftigten kann der Abbau von Urlaub oder Zeitguthaben zwar angeboten werden, den Abschluss entsprechender Vereinbarungen können Arbeitgeber allerdings nicht erzwingen.
Fazit und Ausblick im Falle eines Blackouts in Österreich:
Im Falle eines Blackouts stellen sich nicht nur gesellschaftliche, sondern auch eine Vielzahl wirtschaftlicher und rechtlicher Fragen.
Ob bei einem Blackout in Österreich eine Entgeltfortzahlungspflicht bzw. ein Entgeltfortzahlungsanspruch besteht, hängt vom konkreten Einzelfall ab. Als „Faustregel“ gilt: Je größer das betroffene Gebiet, desto eher ist ein dadurch verursachter Entfall der Arbeitsleistung der „neutralen Sphäre“ zuzuordnen, sodass keine Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers besteht.
Blackout-Tipp für Arbeitgeber:
Arbeitgebern ist zu raten, interne Vorkehrungen für einen Blackout zu treffen, um im Ernstfall rasch reagieren zu können. Gegebenenfalls kann auch die Anschaffung von Notstromaggregaten in Erwägung gezogen werden, um einen Blackout zumindest kurzzeitig überbrücken zu können und damit insbesondere einem Daten- oder Produktionsausfall vorzubeugen.
Blackout-Tipp für Arbeitnehmer:innen:
Arbeitnehmer:innen sollten beachten, dass auch im Falle eines Blackouts die Verpflichtung besteht, sich arbeitsbereit zu erklären/zu halten und spätestens bei Wiederherstellung der Stromversorgung ihre Arbeitsleistung zu erbringen
Dieser Artikel zum Thema „Blackout in Österreich aus arbeitsrechtlicher Sicht“ ist im aktuellen EY Tax & Law Magazine 1/2023 erschienen, welches Sie hier als PDF lesen können:
PDF: EY Tax & Law magazine
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Mag. Isabella Göschl, LL.B.
Rechtsanwaltsanwärterin bei EY Law | Arbeitsrecht
isabella.goeschl@eylaw.at
Isabella Göschl ist Rechtsanwaltsanwärterin bei EY Law. Sie berät nationale und internationale Unternehmen im gesamten Spektrum des Arbeitsrechts.
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