Kampf gegen Greenwashing
Ein immer stärkeres Bewusstsein der Verbraucher:innen für Klima- und Umweltschutz hat in den letzten Jahren zu einer zunehmenden Bedeutung und Verbreitung von Nachhaltigkeitsaussagen in der Werbung, sogenannten Green Claims, geführt. Dabei kommen mitunter zugespitzte Formulierungen wie „100 % CO2-neutral“, unbestimmte Aussagen wie „klimafreundlich“ oder diverse Gütesiegel zum Einsatz. Eine Überprüfung des Wahrheitsgehalts solcher Werbeaussagen fällt Konsument:innen dadurch oftmals schwer. Dabei gelten übertriebene, unzutreffende oder beschönigende Nachhaltigkeitsbehauptungen („Greenwashing“) nicht nur als sozial verpönt, sondern überschreiten teils auch die Grenze des rechtlich Zulässigen. In Österreich bildet diese Grenze bislang das Lauterkeitsrecht mit dem allgemeinen Verbot irreführender Geschäftspraktiken gemäß § 2 des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Spezifische Regeln für Green Claims existieren in Österreich bisher nicht.
Rechtsrahmen für Green Claims
Nunmehr hat sich die Europäische Union im Rahmen des Green Deal dem Kampf gegen Greenwashing verschrieben und zu diesem Zweck einen neuen Rechtsrahmen für Green Claims auf den Weg gebracht. Es handelt sich um zwei inhaltlich eng miteinander verknüpfte Richtlinien, die von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umzusetzen sein werden:
- Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel („Empowering consumers for the green transition“, kurz „EmpCo-RL“) und
- Richtlinie über Umweltaussagen („Green-Claims-RL“).
Wir geben einen Überblick über die Inhalte der beiden EU-Richtlinien gegen Greenwashing und den bevorstehenden Zeitrahmen bis zur Umsetzung in nationales Recht und zeigen auf, weshalb Unternehmen sich rechtzeitig für die Einhaltung der neuen Regeln rüsten sollten.
Die EmpCo-RL
Die EmpCo-RL sieht eine Änderung der bestehenden Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken („UGP-RL“ ) vor, die in Österreich im UWG umgesetzt ist. Konkret wird die Liste der Geschäftspraktiken, die unter allen Umständen als unlauter gelten und damit jedenfalls verboten sind („Blacklist“), um gewisse Verhaltensweisen im Bereich der Nachhaltigkeitswerbung erweitert.
Dies betrifft insbesondere „allgemeine Umweltaussagen“. Dabei handelt es sich um schriftliche oder mündliche Aussagen über Umweltleistungen, die nicht auf demselben Medium klar spezifiziert sind. Darunter fallen Aussagen wie „umweltschonend“, „klimafreundlich“ oder „energieeffizient“. Werbeaussagen dieser Art sind künftig weitestgehend verboten. Erlaubt bleiben allgemeine Umweltaussagen nur dann, wenn sie sich auf eine „anerkannte hervorragende Umweltleistung“ beziehen, die mittels EU-Ecolabel oder offiziell anerkannter nationaler Umweltkennzeichen nachgewiesen wird.
Außerdem ist es künftig verboten, eine Umweltaussage zum gesamten Produkt oder zur gesamten Geschäftstätigkeit des Unternehmens zu treffen, wenn sich die Aussage tatsächlich nur auf einen bestimmten Aspekt des Produkts oder bloß einen Teil der Geschäftstätigkeit bezieht. Erfasst ist damit beispielsweise die Bewerbung eines Produkts als „mit Recyclingmaterial hergestellt“, wenn tatsächlich nur die Verpackung des Produkts aus Rezyklat besteht.
Die Blacklist umfasst weiters ein Verbot von Werbeaussagen über verringerte oder positive Auswirkungen in Bezug auf Treibhausgasemissionen (z. B. „CO2-neutral“ oder „klimaschonend“), wenn diese sich lediglich durch die Kompensation von Treibhausgasemissionen begründen.
Ebenso verbietet die EmpCo-RL die Werbung mit Selbstverständlichkeiten: Anforderungen, die ohnehin kraft Gesetzes für alle Produkte der betreffenden Kategorie auf dem Unionsmarkt gelten, dürfen nicht als Besonderheit des eigenen Angebots beworben werden, so beispielsweise die Vermarktung von Kühlgeräten als FCKW-frei.
Schließlich wird die Möglichkeit der Verwendung von Nachhaltigkeitssiegeln stark eingeschränkt. Ein Siegel darf künftig nur noch eingesetzt werden, wenn es entweder von staatlichen Stellen festgesetzt wurde oder auf einem Zertifizierungssystem beruht, das näher definierte Kriterien der Objektivität, Transparenz und Diskriminierungsfreiheit erfüllt. Die Verwendung unternehmenseigener Nachhaltigkeitssiegel wird daher nicht mehr möglich sein.
Die EmpCo-RL ist am 26.03.2024 in Kraft getreten. Sie muss von den Mitgliedstaaten bis zum 27.03.2026 in nationales Recht umgesetzt werden und die jeweiligen nationalen Bestimmungen müssen spätestens ab dem 27.09.2026 angewendet werden.
Die Green-Claims-RL
Die Green-Claims-RL knüpft an die allgemeinen Regeln der EmpCo-RL an und definiert, quasi als Lex specialis, spezifische Vorgaben für die Anwendung ausdrücklicher Umweltaussagen. Ausdrückliche Umweltaussagen sind solche, die in Textform gestaltet oder auf einem Umweltzeichen (Nachhaltigkeitssiegel) enthalten sind. Die „Ausdrücklichkeit“ einer Aussage wird also ausschließlich über die Form, aber nicht über den Inhalt der Umweltaussage bestimmt. Mündliche Aussagen, etwa in Radiospots, gelten somit nicht als ausdrückliche Umweltaussagen und fallen daher nicht in den Anwendungsbereich der Green-Claims-RL.
Eine wesentliche Vorgabe der Green-Claims-RL ist die Pflicht zur Begründung ausdrücklicher Umweltaussagen. Die Richtlinie definiert hierfür Mindestanforderungen, die eine zuverlässige Information für Verbraucher:innen und eine Überprüfung durch Dritte gewährleisten sollen. Insbesondere muss sich die Begründung auf anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse stützen und einschlägige Standards berücksichtigen. Sie muss auf Primärdaten des Unternehmens bzw., falls solche nicht verfügbar sind, auf repräsentativen Sekundärdaten beruhen. Die Begründung muss nachweisen, dass die Umweltaspekte, die Gegenstand der Aussage sind, unter Berücksichtigung des gesamten Lebenszyklus des betreffenden Produkts erheblich sind. Es sind sämtliche Aspekte zu berücksichtigen, die für die Bewertung der Umweltleistung von Bedeutung sind; dies schließt auch Angaben darüber ein, ob mit der Umweltleistung erhebliche Beeinträchtigungen etwa in Bezug auf Klimawandel, Ressourcenverbrauch und Tierwohl einhergehen („trade-offs“). Geltend gemachte Kompensationen von Treibhausgasemissionen müssen in transparenter Weise dargestellt werden.
Neben dem Erfordernis der Begründung definiert die Richtlinie im Zusammenhang mit der Verwendung ausdrücklicher Umweltaussagen auch gewisse Informationspflichten und regelt, wie diese Informationen an die Verbraucher:innen zu kommunizieren sind. So müssen die der Umweltaussage zugrunde gelegten Studien und Berechnungen offengelegt werden. Es muss erläutert werden, wie die Verbesserungen, die Gegenstand der Aussage sind, genau erreicht werden.
Bei klimabezogenen ausdrücklichen Umweltaussagen, die sich auf Kompensationen für Treibhausgasemissionen beziehen, muss offengelegt werden, in welchem Umfang sich die Aussagen auf Kompensationen stützen und ob diese auf Emissionsminderungen oder Entnahmen von Treibhausgasen zurückzuführen sind. Im Sinne des Transparenzgedankens und des angestrebten Schutzes der Verbraucher:innen muss zudem eine klare und verständliche Zusammenfassung der Bewertung bereitgestellt werden. Die genannten Informationen sind zusammen mit der Aussage in physischer Form oder in Form eines Weblinks, eines QR-Codes oder in ähnlicher Form zur Verfügung zu stellen.
Die Begründungs- und Informationspflichten werden durch eine verpflichtende Zertifizierung ergänzt: Jede ausdrückliche Umweltaussage samt Begründung ist vor Veröffentlichung durch eine akkreditierte, unabhängige Prüfstelle zu überprüfen. Erfüllt die ausdrückliche Umweltaussage die Anforderungen der Richtlinie, so stellt die Prüfstelle eine Konformitätsbescheinigung aus, die zur Anwendung der zertifizierten Umweltaussage im gesamten Binnenmarkt berechtigt. Prüfstellen haben die Überprüfung und Zertifizierung grundsätzlich binnen 30 Tagen vorzunehmen. In komplexen Fällen kann diese Frist verlängert werden.
Für Kleinstunternehmen (das sind Unternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten und einem Jahresumsatz von höchstens 2 Mio. Euro , laut Empfehlung 2003/361/EG der Kommission) sieht die Green-Claims-RL eine Ausnahme von den dargestellten Pflichten vor.
Anknüpfend an die EmpCo-RL schränkt die Green-Claims-RL außerdem die Möglichkeit der Nutzung von Umweltsiegeln weiter ein. So sollen die Mitgliedstaaten keine neuen nationalen oder regionalen Umweltzeichensysteme mehr einführen. Umweltzeichensysteme privater Betreiber sollen nur noch genehmigt werden, wenn diese Systeme im Vergleich zu den bestehenden nationalen, regionalen oder Unionssystemen einen Mehrwert im Hinblick auf ihre Umweltziele bieten.
Sanktionen gegen Unternehmen bei Nichteinhaltung
Neben der Umsetzung der genannten Mindestanforderungen im Zusammenhang mit ausdrücklichen Umweltaussagen und Umweltsiegeln im nationalen Recht sind die Mitgliedstaaten auch dazu angehalten, wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen gegen Unternehmen für den Fall der Nichteinhaltung der Vorgaben vorzusehen. Dies umfasst Geldbußen mit einem Höchstbetrag von mindestens 4 Prozent des Jahresumsatzes des Unternehmens im betreffenden Mitgliedstaat.
Als mögliche Sanktion ist weiters die Einziehung der mit den betreffenden Produkten erzielten Einnahmen vorzusehen, außerdem der temporäre (bis zu zwölfmonatige) Ausschluss von Vergabeverfahren und vom Zugang zu öffentlichen Finanzierungen.
Zeitplan und Umsetzung der Green-Claims-RL
Die Green-Claims-RL befindet sich derzeit noch im Gesetzgebungsverfahren. Das Europäische Parlament hat seinen Standpunkt zum Richtlinienvorschlag der Kommission in erster Lesung im März 2024 festgelegt. Nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens und Inkrafttreten der Richtlinie werden die Mitgliedstaaten 18 Monate zur Umsetzung in nationales Recht und 24 Monate zur Anwendung der erlassenen Bestimmungen haben.
Auch wenn somit noch einige Zeit bis zur Umsetzung der beiden Richtlinien in nationales Recht verbleibt, sind Unternehmen gut beraten, sich schon jetzt auf die neuen Regularien vorzubereiten. So sollte zunächst im Rahmen einer Analyse des Ist-Zustands im Unternehmen erhoben werden, ob (ausdrückliche) Umweltaussagen verwendet werden, und falls ja, ob allenfalls bereits Grundlagen für die künftige Erfüllung der Begründungspflicht (etwa Belege der Umweltwirkungen, zugrunde liegende Studien etc.) vorhanden sind. Mit Blick auf den Ressourcenaufwand, der künftig vor allem mit der Begründung und Zertifizierung ausdrücklicher Umweltaussagen einhergehen wird, werden bestehende Werbestrategien allenfalls zu hinterfragen sein. Um den Anforderungen der Richtlinien gerecht zu werden und Sanktionsrisiken zu vermeiden, wird es Awareness im Unternehmen und ein enges Zusammenwirken der Rechts-, Nachhaltigkeits- und Marketingverantwortlichen brauchen.
Dieser Artikel zu den neuen EU-Richtlinien gegen Greenwashing und Green Claims von unseren Rechtsanwälten Mag. David Konrath (Compliance & Kartellrecht) und Mag. Christian Zimmer, Vergabe- und Nachhaltigkeitsrecht, ist im aktuellen EY Tax & Law Magazine 2/2024 erschienen. In der neuen Ausgabe finden Sie außerdem Artikel zu folgenden Themen:
- Umsetzung des Wohn- und Baupakets in Österreich
- CSDDD: Die neue EU-Lieferkettenrichtlinie
- EU Deforestation Regulation
- Verrechnungspreise: Pillar One / CbC-Reporting
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David Konrath ist Rechtsanwalt bei EY Law und leitet den Bereich Kartell- und Wettbewerbsrecht und berät Unternehmen zu allen Rechtsmaterien im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit.
Christian Zimmer ist Rechtsanwalt bei EY Law. Im Rahmen seines Tätigkeitsschwerpunktes im öffentlichen Wirtschaftsrecht berät er
Unternehmen, Gebietskörperschaften und öffentliche Auftraggeber insbesondere im Bereich des Nachhaltigkeits-, Beihilfen- und Vergaberechts.